Georges Vernay - Condrieu
In Condrieu, auf dem rechten Rhône-Ufer südlich von Lyon, baute man in jahrhundertelanger Tradition die Rebsorte Viognier an. Es ist eine anspruchsvolle und empfindliche Rebsorte. Deshalb schenkte man ihr immer weniger Beachtung. Sie ist fast untergegangen.
In den 60er Jahren hatte der junge Weinbauer Georges Vernay sich dazu entschlossen, diesem Rück- bis Untergang Einhalt zu gebieten. Er begann in seinem eigenen Betrieb die Viognier wieder vermehrt zu pflanzen. Zudem motivierte er seine Kollegen, die Viognier-Bestockung konsequent auszubauen. Er unternahm viel zur Förderung dieser Rebsorte gottseidank! Die Viognier-Trauben, die auch den Wein des Château Grillet, der kleinsten appellation contrôlée, ausmachen, bringen wunderbar zarte, nach Aprikosen, Pfirsichblüten und Bisquit duftende Weine. Auf der Zunge und im Gaumen wirken sie immer fragil. Stets denkt man, im nächsten Moment bricht weg dieser großartige Geschmackseindruck auf der Zunge und dieser Geschmack bricht doch nie weg. Diese Condrieu-Weine trinkt man in der Regel jung. Man kann sie aber auch lagern. Dann mutiert der Wein zu etwas völlig Neuem: Noten von reifen Pfirsichfrüchten und Anflüge von Melonen dominieren den Wein, den man nun als füllig, ja fast üppig erlebt. Ein Hochgenuß.
Mitte der 90er Jahre, und nicht zum ersten Mal, schauten wir bei Georges Vernay rein. Dieser mächtige, freundliche Mann mit seinen großen Händen, seinen dunklen Augen und seinem dunklen Haar geht mit den Weinflaschen sorgfältiger um als mit einem Baby. Wir führen ein äußerst interessantes Gespräch, in dem wir noch viel über Viognier- und Syrah-Trauben lernen. Nach fast einer Stunde kommt die Frage: "Habt ihr drei noch etwas Zeit?" Ja, ja, wieso? Georges Vernay geht nach hinten und kommt mit einer besonderen Flasche Condrieu zurück. Vieilles vignes, vieux millésimes. Tatsächlich öffnete er eine sehr lange gelagerte Flasche. Großartig, zum Umfallen. Wir degustieren, diskutieren, wollen wissen.
Von diesem Wein müssen wir unbedingt etwas mitnehmen. "Aucune chance" meinte Georges Vernay, von den Flaschen, die er noch habe, gehöre ein Teil dem Restaurant Troisgros in Roanne und der Rest sei definitiv für ihn selbst reserviert. Wir fragen zurück, wieso wir dann dieses unwahrscheinliche Glück haben, von ihm zu einer solchen Flasche eingeladen zu sein.
Seine fast unglaubliche Antwort: "Vous savez, je suis depuis des dizaines d'années dans cettes affaires. Il y a trois types de visiteurs: Ceux qui viennent en autocar; ils sont gentil, ils regardent, ils dégustent, ils posent peut-être une question. Alors il y a ceux qui viennent en Porsche avec les plaques 75 (Paris); ils entrent et ils m'expliquent ce que je fais; je ne les aime pas du tout. Et de temps en temps, il y a des visiteurs qui sont très intéressés d'apprendre ce que je fais, ce que je sais et ce que je pense et pour ceux-ci j'ouvre une belle bouteille avec beaucoup de plaisir."
(zu deutsch: "Wissen Sie, ich bin schon Jahrzehnte in diesem Geschäft. Es gibt drei Sorten Besucher: Jene, die im Autobus kommen; sie sind nett, sie schauen, sie degustieren, sie stellen vielleicht sogar eine Frage. Dann gibt es die, die im Porsche mit den 75er-Nummernschildern (Paris) vorfahren; sie kommen herein und erklären mir, was ich mache; die kann ich nicht ausstehen. Und von Zeit zu Zeit kommen Besucher, die sehr interessiert sind etwas darüber zu erfahren, was ich mache, was ich weiß und was ich denke und für diese mache ich mit großem Vergnügen auch eine schöne Flasche auf.")
So ein Erlebnis und so eine Wein-Persönlichkeit wie Georges Vernay wird man nie vergessen.
siehe auch Register Wein der Saison
6. Juli 2005 RM